Verdienste
Eines Tages hielt Meister Chokei eine Rede in der Vortragshalle. Als alle versammelt waren, ergriff er einen Mönch und sprach: Lasst uns nun alle vor diesem Mönch eine Verbeugung machen. Dann fügte er hinzu: Welche Verdienste hat dieser Mönch erworben, dass wir uns alle vor ihm verbeugen sollten? Die anderen blieben stumm.
Meister Kidô:
Ganz recht! Ganz recht! Ganz recht!
Meister Hakuin:
Der Buddha Daitsûchishô saß zehn kalpas* lang in Meditation.
So sehr er auch praktizierte, die Wahrheit erschien ihm nicht. Sie ist nicht da.
Der Weg kann nicht erlangt werden.
(* Äon, sehr langer Zeitraum)
Mir ist da was durchaus Erstaunliches aufgefallen...und ich würd mich über deine Sichtweise freuen...
Da sind diese Dinge die ich wahrnehme, also das was ich sehe, höre und zB. empfinde aus meiner Umgebung und ich bin mir dabei gewiss, dass es etwas anderes ist, als das, was ich bin.
Nun betrachte ich dies, was da in mir selbst bewusst wird an Sichtbarem, Hörbarem, Fühlbarem und ich frag mich, ob ich dies selbst bin, was ich da sehe, höre, fühle...oder aber ob es das Tageslicht oder Lampenlicht ist oder das Geräuch der Bettdecke auf meinem Bauch oder dessen Gefühl.
Nun betrachte ich dies, was mir als mein ureigenes Selbst bewusst wird, an Sichtbarem, Hörbarem, Fühlbarem und ich frag mich, ob ich der braune Bauch, der knurrende Magen, der Kopfschmerz bin, den ich wahrnehme...oder aber das es sich da lediglich um eben jenes Licht, jene Töne und Gefühle handelt, welche mir zugetragen werden aus eben dieser wundersamen Welt?
So betrachte ich all dies mit vollster Wertschätzung jedoch ohne ängstlich zu werden zu sehen, dass es ebenso bald vergeht, wie es in meiner Wahrnehmung in anderer Form entsteht.
Vorherige Ansichten schwinden, neue Töne und Gefühle entstehen, ohne dass sich mein aufmerksames Betrachten verändert hätte.
Was also ist jenes und was bin ich?
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Der fliegende Schuh
Meister Reiun fragte einen Mönch: Wohin gehst du? Der Mönch antwortete: Ich gehe zu Meister Seppô.
Ich habe eine Nachricht für Seppô.
Dann gebt sie mir bitte mit.
Reiun zog seinen Schuh aus und warf ihn vor den Mönch hin, der daraufhin fort ging.
Seppô fragte den Mönch: Woher kommst du? Der Mönch erwiderte: Von Reiun.
Geht es dem Ehrwürdigen gut?
Er bat mich, Euch diese Nachricht zu überbringen. Der Mönch zog seinen Schuh aus und warf ihn vor Seppô hin. Seppô blieb still.
Meister Kidô:
Ich ziehe in Betracht, dass du von weit her gekommen bist.
Meister Hakuin:
Wenn du noch einmal kommst, wird es nur aus diesem Grund geschehen:
dem Regendunst des Berges Ro und der Strömung des Flusses Sekkô.
Was ist es?
Meister Kuzan besuchte Meister Seppô. Als er durchs Tor kam, ergriff ihn Seppô und sagte: Was ist es? So erwachte Kuzan. Er hob seine Hände und fuchtelte mit ihnen herum. Seppô fragte: Auf welchem Weg hast du verstanden? Kuzan erwiderte: Welche Wege gibt es? Seppô bestätigte Kuzans Erleuchtung.
Meister Kidô:
Kuzan soll sagen: Meister, Ihr habt mich nie betrogen.
Meister Hakuin:
Sich verbeugen und sich zurückziehen.
Wohin gehst du?
Meister Seppô verabschiedete sich von Meister Tôzan, der ihn fragte: Wohin gehst du nun? Seppô antwortete: Ich gehe zurück in die Berge.
Von wo bist du gekommen?
Ich kam vom Berg Hien.
Und in welche Richtung geht es jetzt?
Ich gehe zum Berg Hien.
Es gibt jemanden, der nicht zum Berg Hien geht. Kennst du ihn?
Nein, den kenne ich nicht.
Warum nicht?
Er hat kein Gesicht.
Wenn du ihn nicht kennst, wie kannst du dann wissen, dass er kein Gesicht hat?
Seppô schwieg.
Meister Kidô:
Nicht mit den Augen sehen.
Meister Hakuin:
Nimm alles weg, leg alles frei.
Wohin wirst du gehen?
Ein Mönch verabschiedete sich von Meister Seppô. Dieser fragte ihn: Wohin wirst du gehen? Der Mönch antwortete: Ich werde Meister Kinzan einen Besuch abstatten.
Wenn Kinzan dich fragt: Wie steht es mit dem Buddhismus bei Seppô?, was wirst du dann antworten?
Wenn er mich fragt, werde ich sagen
Da schlug ihn Seppô.
Später fragte Seppô Meister Kyôshô: Was hat dieser Mönch falsch gemacht, dass man ihn schlagen musste? Kyôshô erwiderte: Er hat Kinzan besucht und ist nun vollkommen erschöpft. Seppô warf ein: Aber Kinzan lebt weit weg im Distrikt Setchu, wie könnte man ihn besuchen? Kyôsho antwortete: Kennst du nicht den Spruch: Beantworte eine Frage aus der Ferne mit einer Bemerkung aus der Nähe? Seppô zog sich zurück.
Meister Kidô:
Ohne den kleinsten Fehler.
Meister Hakuin:
Das ist wahr und richtig.
Der Kreis
Meister Shôkei fragte einen Mönch, der gerade von seiner Pilgerreise zurückgekehrt war: Wie lange warst du von hier fort? Der Mönch antwortete: Es ist fast acht Jahre her, dass ich Euch verlassen habe. Shôkei fragte: Was hast du erreicht? Der Mönch malte einen Kreis auf die Erde. Shôkei fragte: Ist das alles? Gibt es da nicht noch was? Der Mönch wischte den Kreis weg, verbeugte sich und ging davon.
Meister Kidô:
Wenn du keinen Botenjungen zu Hause hast, kannst du kein Edelmann sein.
Meister Hakuin:
Wenn deine Ansicht so ist wie die deines Lehrers, dann bist du nur halb so gut wie dein Lehrer.
Wenn deine Ansicht aber die deines Lehrers übertrifft, dann bist du in der Lage,
dessen Lehren weiterzugeben.
Die bodenlose Schale
Meister Anzan suchte Meister Sekishitsu auf und fragte: Es ist wohl nicht leicht? Sekishitsu erwiderte: Was ist denn so schwer daran? Du holst es aus einer bodenlosen Schale hervor und trägst es auf einem formlosen Tablett davon. Da war Anzan sprachlos.
Meister Kidô:
Unter dem Drachentor*.
Meister Hakuin:
Schneidend vollbracht.
(* Das Drachentor (toryumon) ist ein hoher Wasserfall. Nach einer chinesischen Legende versammeln sich an dessen unterem Ende Karpfen und versuchen, nach oben zu gelangen. Ein Karpfen, der es bis zum oberen Anfang des Wasserfalls schafft, verwandelt sich in einen mächtigen Drachen.)
Drei Körper Buddhas
Ein Mönch fragte Meister Tôzan: Welcher der drei Körper Buddhas* predigt? Tôzan erwiderte: Mit mir ist das immer ein großes Problem. Danach fragte der Mönch Meister Sôzan: Was meinte Tôzan, als er sagte: Mit mir ist das immer ein großes Problem? Sôzan antwortete: Wenn du den Kopf willst, schneide ihn ab und nimm ihn mit. Dann fragte der Mönch Meister Seppô. Der drückte seinen Stock gegen den Mund des Mönches und sagte: Auch ich habe Tôzan aufgesucht. Der Mönch war sprachlos.
Meister Kidô:
Ich kann nicht atmen.
Meister Hakuin:
Stark bedrängt.
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(* Skrt. trikâya: 1) dharmakâya (Körper der Großen Ordnung), das wahre Wesen Buddhas, das mit der Essenz des Universums identisch ist, die Einheit von Buddha und allem Seienden sowie Buddhas Lehre; 2) sambhogakâya (Körper des Entzückens), der Körper von Buddhas, die in einem Reinen Land (Paradies) die von ihnen verkörperte Wahrheit genießen; 3) nirmânakâya (Körper der Verwandlung), der irdische Körper, in dem Buddhas den Menschen erscheinen, damit alle Wesen Erlösung finden mögen.)
Wasser
Meister Jôshû bestieg das Vortragspodest und schaute nach hier und da. Meister Shuyu fragte: Was machst du? Jôshû erwiderte: Ich suche nach Wasser. Shuyu sagte: Ich hab nicht einen Tropfen hier, was nutzt es also, danach Ausschau zu halten? Jôshû stellte seinen Stock gegen die Wand und ging weg.
Meister Kidô:
Denk nicht, du wärest im Vorteil.
Meister Hakuin:
Wenn der Weg der Sprache abgeschnitten wird,
wird das Umherschweifen des Geistes ein Ende haben.
Die reife Pflaume
Der Laie Hôkoji sagte zu Meister Daibai ("Große Pflaume") : Ich habe schon lange von Eurem Namen gehört und frage mich nun, ob diese Pflaume reif ist. Daibai erwiderte: Wo willst du zuerst reinbeißen? Hôkoji sagte: Ich werde alles in kleine Teile zerschneiden. Daibai forderte: Gib mir meinen Samen zurück!
Meister Kidô:
Gleichwertig herauskommen.
Meister Hakuin:
Es wurde geschluckt.
Der Bücherwurm
Ribotsu fragte Meister Chijô: Wenn der Berg Shumi zweifelsfrei einen Mohnsamen enthalten kann, ist es dann nicht falsch, dass der Mohnsamen den Berg Shumi enthält?
Chijô erwiderte: Die Leute sagen, du hättest Tausende von Büchern gelesen. Stimmt das? Ribotsu bejahte.
Shijô sagte: Der Körper ist so groß wie eine Kokosnuss. Wohin können deine Tausende von Büchern gehen?
Ribotsu konnte sich daraufhin nur noch verbeugen.
Meister Kidô:
Ribotsu soll sagen: Ich dachte, da ist niemand.
Meister Hakuin:
Ich dachte, Affen seien weiß, doch es gibt schwarze Affen.
Der Esel
Meister Seidô traf auf der Straße den kaiserlichen Boten. Dieser lud Seidô zum Abendessen ein. Während sie speisten, fing ein Esel zu kreischen an. Der Bote sagte: Priester! Seidô hob seinen Kopf und der Bote deutete auf den Esel. Doch Seidô zeigte auf den Boten. Der Bote schwieg.
Meister Kidô:
Es ist der Fehler eines kleinen Beamten wie mir.
Meister Hakuin:
Ich bin nicht gut darin, richtig auf diese Begebenheit zu reagieren.
Der Esel
Meister Seidô traf auf der Straße den kaiserlichen Boten. Dieser lud Seidô zum Abendessen ein. Während sie speisten, fing ein Esel zu kreischen an. Der Bote sagte: "Priester!" Seidô hob seinen Kopf und der Bote deutete auf den Esel. Doch Seidô zeigte auf den Boten. Der Bote schwieg.
Meister Kidô:
Es ist der Fehler eines kleinen Beamten wie mir.
Meister Hakuin:
Ich bin nicht gut darin, richtig auf diese Begebenheit zu reagieren.
Hilfe, Hilfe!
Als Meister Jôshû auf einer Leiter über einem Brunnen stand, sah er Meister Nansen vorbeigehen. Er ließ ein Beim herabbaumeln und rief: Hilfe, Hilfe! Nansen stieg auf die Leiter und sagte, Sprosse für Sprosse: Eins, zwei, drei, vier, fünf
Später suchte ihn Jôshû in seinem Zimmer auf und meinte höflich: Ich danke dir, dass du mir gerade geholfen hast.
Meister Kidô:
Ich habe nichts für dich getan.
Meister Hakuin:
Ich bin beschämt, ich bin beschämt.
Resteverwerter
Meister Obaku sagte: Ihr seid alle Resteverwerter! Wenn ihr so in der Welt nach Wahrheit sucht, was könnt ihr da erwarten? Wisst ihr, dass es keine Zen-Meister mehr in China gibt? Dann trat ein Mönch hervor und fragte: Was ist mit denen, die ernsthaft umherziehen und die Massen belehren? Obaku erwiderte: Ich sagte nicht, es gäbe kein Zen mehr, sondern nur, dass keine großen Meister mehr zu finden sind.
Meister Kidô:
Der Mönch soll sagen: Ich will die Güte und Gunst meines Meisters nicht vergessen.
Meister Hakuin:
Ich hatte das Glück, meinen Meister zu treffen und seine Lehren zu empfangen.
Eine Hose
Meister Nansen sagte: Es gibt vier Elemente im Körper der Wahrheit. Wenn jemand mir das erklären kann, gebe ich ihm eine Hose. Meister Dôgo trat hervor und sagte: Die Essenz der Erde ist nicht Leere. Leere ist nicht die Essenz der Erde. Dies ist das Element der Erde. Für die anderen drei Elemente gilt das Gleiche. Nansen überreichte Dôgo eine Hose.
Meister Kidô:
Dôgo klopft an seine Zähne und verzaubert.
Meister Hakuin:
Halb lobend, halb tadelnd.
Kauf mich!
Meister Nansen sagte: Wenn ich mich selbst verkaufen müsste, gäbe es dann Menschen, die mich kaufen würden? Da trat ein Mönch hervor und sagte: Ich würde dich kaufen. Nansen fragte: Wie würdest du mich kaufen, wenn du weder zu viel noch zu wenig zahlen dürftest? Der Mönch war sprachlos.
Meister Kidô:
Wenn jemand das auf sich nimmt, werde auch ich mich nicht zurückhalten.
Meister Hakuin:
Wie viel kostet es?
Drei-drei
Monju fragte Meister Mujaku: Wo warst du in letzter Zeit? Mujaku antwortete: Ich war im Süden. Monju fragte: Wie macht sich Buddhas Lehre im Süden? Mujaku erwiderte: Buddhas Lehre verkommt und die Mönche halten sich kaum noch an die Ordensregeln. Monju fragte: Wie viele Mönche gibt es dort? Mujaku antwortete: Manchmal dreihundert, manchmal fünfhundert, das ist unterschiedlich. Dann fragte er Monju: Wie läuft es denn hier so? Monju sagte: Das Volk und die Heiligen leben zusammen. Drachen und Schlangen mischen sich. Mujaku fragte: Wie viele Mönche gibt es hier? Monju antwortete: Drei-drei vorn, drei-drei hinten.*
(* D.h.: Ein paar hier, ein paar dort.)
Meister Kidô:
Die meisten Menschen kommen nicht so weit.
Meister Hakuin:
Ich habe von dieser Zahl erst heute gehört.
Teeschale
Meister Mujaku traf Monju auf dem Berg Tai. Während sie Tee tranken, ergriff Monju eine Schale und fragte: Habt Ihr sowas im Süden?
Nein.
Woraus trinkt Ihr denn den Tee?
Es gab keine Antwort.
Meister Kidô:
Verbeuge dich und richte dich auf.
Meister Hakuin:
Verbeuge dich und geh.