Angkor:
Ja, von mir aus nennen wir es genauer die Angst vor dem Sterben. Die Angst vor dem Tod wäre dann die vor dem Unbekannten. Ich glaube aber nicht, dass man Menschen diese Angst machen muss, ich halte sie für natürlich. Auch Tiere zeigen ähnliche Reaktionen, wenn sie sterben müssen. Darum ist natürlich umgekehrt die Frage, warum da so viel Aufhebens drum gemacht wird. Jedenfalls nehme ich sowieso niemandem ab, er habe keine Angst vor dem Sterben, bis ich ihn sterben sehe. Das geschieht ja nur einmal ganz konkret, und dann wird man schauen - und kann trotzdem nicht in den anderen reinsehen ... Bestenfalls kann man das also rückwirkend von einem anderen Menschen sagen, nie im Voraus.

Der "Tretroller" ist Zazen, das "Motorrad" ist die Einstellung des Loslassenkönnens. Das Bewusstsein der Leere aller Phänomene. Darum muss ich Zazen nicht bis zum Erbrechen verteidigen. Als zielgerichtete Methode, davon redeten wir ja, die sie letztlich ist (sonst würde ja etwas anderes empfohlen, zumal der Buddha ja gar nicht im vollen Lotussitz gesessen haben dürfte, wie das jap. Zen fordert, und schon gar nicht auf einem Kissen) - also als zielgerichtete Methode will Zazen ein Hilfsmittel sein, diesen geistigen Zustand zu erlangen und zu etablieren, so dass er möglichst auch außerhalb des Zazen das geistige Leben bestimmt.

Der Lehrer meint, dass die aufrechte Körperhaltung die beste ist. Mein Lehrer hielt allerdings am Zafu (Kissen) fest. Ich habe selbst festgestellt, dass im angedachten Sinne (der Erdung) der volle Lotussitz ohne Kissen (so es die Bodenverhältnisse zulassen) einzüben ist. Diese Körperhaltung ist die m.E. ideale, um sich diesem Geisteszustand übungsweise anzunähern. Es ist aber keineswegs die einzig mögliche. Insofern jedenfalls wirkt die Haltung offenbar auf den Geist.

Inwiefern wirkt der Geist auf den Körper? Ich bin kein Freund davon, dem Zazen alle möglichen Heilerfolge zuzuschreiben. Aufgrund einiger chronischer Beschwerden (wobei Zazen selbst auch welche auslöst, z.B. in den Knien), möchte ich hier vorsichtig formulieren, dass es natürlich psychosomatische Zusammenhänge gibt. Es ist aber einem Geist leichter, gelassen zu sein, wenn der Körper gesund ist, als umgekehrt: Selbst ein klarer Geist macht einen Querschnittsgelähmten nicht zu einem Gehenden und zaubert keinen Enzymdefekt oder Metastasen weg.

Ich nehme an, du willst irgendwie auf die von dir entwickelte Methode hinaus und weiß nicht, ob ich jetzt noch so schreibe, dass es deine Fragen beantwortet. Zumindest könnte es den an Zen Interessierten Stoff bieten. Der Zen-Lehrer in der Dôgen-Tradition möchte, dass man "Körper UND Geist abwirft", also an keinem, weder der Identifikation mit dem eigenen Körper noch den eigenen Gedanken, haftet. Dies ist eigentlich eine mystische Erfahrung. Die Grundlage ist aber doch eine "Einsicht" geistiger Art: Dass der Körper keine Eigennatur hat, leer ist. Diese Erkenntnis wird jedoch von der Gesamtheit Körper-Geist erfasst, so dass sie auch den Geist umfasst (auch dieser hat keine Eigennatur).

Meines Erachtens beruht diese Schulung auf einer Wunschvorstellung, die sich aus dem Pali-Kanon herleitet: Dem Glauben, man könne jedes Leiden überwinden. Dazu muss man sich notgedrungen einen Trick ausdenken, da der Körper immer das letzte Wort spricht (natürlich sprechen hier Zen-Leute auch davon, der Körper beruhe auf einer Illusion usf.). Deshalb "Körper abwerfen". Tatsächlich ist dies nicht möglich. Das was m.E. Erwachen ausmacht, ist eine gänzlich mystische Erfahrung, die vor allem geistiger Natur ist, sich also im Hirn/Bewusstsein abspielt. Würde Dôgen z.B. tatsächlich aufgrund seines Erwachens sich von der Anhaftung an seinen Körper befreit haben, dann hätte er sich auch vom Anhaften an eine bestimmte Haltung verabschiedet.

Über deine Methode haben wir hier schon gesprochen. Sie basiert m.E. darauf, den Menschen bei bestimmten körperlichen Beschwerden die rechte Einstellung dazu beizubringen, damit sie an ihre Heilung glauben. Wenn die Heilung nicht echt ist, also die rein körperlichen und vom Geist nicht entscheidend zu beeinflussenden Ursachen nicht beseitigt, ist dieser Glaube eine Illusion. (Deshalb beseitigst du ja auch die Fußnägel durch physische Kräfte und nicht durch geistige.) So lange die Illusion anhält, glaubt der Patient an eine Heilung. Eine solche Art der Täuschung wird von Zen-Lehrern, so sie authentisch sind, abgelehnt. Vielmehr wird versucht, die Erkenntnis von der Leere auch des Schmerzes zu gewinnen. Letzten Endes können zwar beide Methoden eine subjektiv empfundene Schmerzerleichterung nach sich ziehen, aber der Weg im Zen ist umfassender, weil die Einsicht zum Schmerz sich auf alles andere ausdehnt. Ich kann hier ein Beispiel geben. Den Zen-Anfänger erkennt man daran, dass er meint, man könne schmerzfrei sein mithilfe seines Geistes. Den Fortgeschrittenen erkennt man daran, dass er trotz einer Leere des Phänomens Schmerz dessen phänomenale Existenz als das annimmt, was sie ist. Deshalb empfindet es ein Anfänger auch als normal, alles Leid zu überwinden, während ein Fortgeschrittener weiß, dass er nicht alles Leid überwinden kann. Er geht nicht den Weg, nach einer geistigen Ausflucht aus dem Leiden zu suchen, sondern den Weg des Annehmens. In einem Fall wird der Schmerz als von einem getrennt betrachtet (und bekämpft), im anderen Fall zum Teil der eigenen Existenz.

Die eine der Vier Edlen Wahrheiten bedeutet also nicht, wie meist falsch interpretiert, dass ein buddhistisch Übender nicht mehr leiden wird, sondern dass er mit dem Leiden eins werden kann. So wie es in den Gedichten heißt: "Die Nachtigall singt", so muss es dann auch heißen: "Das Knie schmerzt." Sowohl Singen wie Schmerzen sind Bewusstseinswahrnehmungen, die nicht gewertet werden müssen. Dennoch ist der Mensch so gestrickt, dass er den Gesang genießt und die Schmerzen unverzüglich abstellen will. Das eine verursacht Wohlsein, das andere Unwohlsein. Auf diesem Weg dürfte deine Methode liegen. Im Zen wird jedoch die Möglichkeit geschaffen, jenseits des Wohl- und Unwohlseins mit dem Singen und Schmerzen ein Verschmelzen zu erreichen, dass jene besondere mystische Erfahrung ausmacht. In diesem Verschmelzen entsteht erst die Überzeugung, die dann in Worten als die "allen gemeinsame Buddha-Natur", die tiefgründe Wahrheit der Leere (shunyata) oder das Alleinssein beschrieben wird. Gerade WEIL man eine solche Erfahrung gemacht hat, kann man niemandem mehr sagen, körperlich bestimmtes Leiden sei stets mit Geisteskräften oder der rechten Einstellung zu überwinden. Viele Buddhisten gehen diesen falschen Weg, weil sie am Wortlaut der Schriften haften und keine Erfahrung des Alleinsseins gemacht haben. Diese bezieht sich auf ein geistiges Geschehen, das zwar sicher von Neurologen im Hirn, also natürlich im Körper, zu lokalisieren ist, aber nicht von der phänomenalen Wahrheit des Körperlichen bestimmt wird - und "darüber hinaus" geht. Die Erfahrung des Alleinsseins trifft also keine "Aussagen" über rein physische Vorgänge, denn diese gehen ja gerade nicht "darüber hinaus", sondern spielen sich immer nur im körperlich begrenzten Individuum, in dem Haut- und Schleimsack ab, der Meldungen an sein Hirn liefert, die z.B. als "Schmerz" oder "Glück" interpretiert werden. Darum sollte man auch bei der ganzen Zen-Literatur vorsichtig sein, die vom "Gegenteil" des Unwohlseins, nämlich von überwältigenden Glückserfahrungen beim Erwachen spricht (z. B. in Kapleaus "Drei Pfeiler des Zen"). Dies spielt sich noch in der phänomenalen Erfahrungswelt ab und ist nicht authentisch. Es ist einfach das Gegenteil vom Unglück und führt uns wieder auf die Wunschvorstellungen zurück, die im Palikanon impliziert sind, wenn Menschen bei gutem Benehmen u.ä. ein Umgehen vom Höllendasein etc. zugesagt wird. Ich persönlich möchte das Erwachen salopp so bezeichnen: Es macht klick! "Ah, so ist Körper, so ist Geist" z.B. Und nicht. "Ah, endlich schmerzfrei, denn der Körper ist abgefallen" oder "endlich schmerzfrei, denn nun bin ich eins mit dem Schmerz".

Da alles miteinander agiert, kann Erwachen körperliche Vorgänge auslösen. Im Grunde spielen sich Erwachen und körperliches Leiden (oder Glücksempfinden) jedoch auf zwei Ebenen ab. Die phänomenale Ebene des Leidens wird im Erwachen jedoch als solche (als Realität, die keine bleibende Substanz hat) erkannt.
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